Bild: Stefan OnzekAuch wenn es in Österreich gerade etwas abgekühlt hat – und damit meine ich das Wetter – habe ich seit einiger Zeit das Gefühl, dass die Welt dauerhaft brennt. Es brennen die Wälder und Wiesen und sogar die Luft scheint zu brennen. Hitzewellen an vielen Orten unseres Planeten, sogar in Kanada und bis in den Norden Italiens, bringen noch nie gemessene Höchsttemperaturen, die an der 50-Grad-Celsius-Marke schrammen. Der Verkehr und der CO2-Ausstoß nehmen überall zu. Sars-CoV-2 hat uns alle weiter im Griff und bestimmt unseren Alltag. Auch Afghanistan brennt wieder. Mit der Rückkehr der Taliban, unmittelbar nach dem Abzug der US-Truppen und ihrer Verbündeten, scheinen die Bemühungen der letzten 20 Jahre vollkommen ausgelöscht zu sein. Auch der Nahe Osten, Syrien, der Iran und ihre Nachbarländer kommen weiterhin nicht zur Ruhe. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten sind sich weiterhin nicht sehr einig und es fehlt an Schlagkraft, an Konzepten und an einer gemeinsamen Vision. Über die vielen afrikanischen Krisenherde und jene in Südamerika wird wenig gesprochen oder berichtet, doch auch sie haben Einfluss darauf, wie sich die Welt in Zukunft entwickelt.

Es ist für alle klar, was die aktuellen, wesentlichen großen Herausforderungen dieser Welt sind, nämlich die Lösung der Klimakrise, Corona und seine Varianten und die humanitären und militärischen Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und auch in anderen Teilen der Welt, wie in Südamerika und die damit in Zusammenhang stehenden Migrations- und Flüchtlingsströme. Es gibt natürlich eine große Anzahl an Akteur*innen, die sich um Lösungen auf allen Ebenen – ob in der Wissenschaft, in internationalen Organisationen, in NGOs, in der Politik aber natürlich auch in der Wirtschaft und bei den Streitkräften – bemühen. Doch solange die politische Einigkeit und Schlagkraft – insbesondere in Europa – nicht wesentlich verbessert werden können, solange werden wir keine großen und vor allem nachhaltigen Lösungen sehen.

Eine wirkliche Verbesserung kann nur dann stattfinden, wenn Entscheidungskraft und Einigkeit wieder wachsen. Dafür braucht es – wie schon so oft von mir gesagt – echtes Leadership. Doch es fehlt nach wie vor an Verantwortung und Verantwortlichkeit. Und es braucht auch endlich die Überwindung von altem, national-populistischem Denken. Davon zeugen die aktuellen, schweren Fehleinschätzungen der mannigfaltigen Situationen und die gegenseitige Lähmung. Ob dies die Lagen in Afghanistan oder Syrien sind oder die immer gefährlicher werdenden Entwicklungen rund um das Weltklima. Aber auch das wieder Auseinandertriften der europäischen und insbesondere der zentraleuropäischen Nationalstaaten. Solange wir es nicht schaffen die ethnisch-nationale Denkweise (wieder) zumindest auf eine regionale zu heben und gemeinsam darüber nachdenken, wie die Geschicke der Menschheit in größeren Schicksalsgemeinschaften – und am Ende natürlich weltweit koordiniert – zu lösen wären, werden wir keine wirklichen Schritte der Verbesserung sehen. Klar ist, dass sich für eine gemeinsame Lösung alle in irgendeiner Form zurücknehmen und auch gewissen Grundwerte – oder nennen wir sie prinzipielle Haltungen – relativieren müssen. Ob der alte Kant’sche Imperativ hier ein guter Leitfaden wäre?

Es scheint eine Ironie zu sein, dass die Menschheit es vor allem in Kriegssituationen schafft die wichtigsten Ressourcen zielgerichtet zu bündeln und damit ihre (kriegerischen) Ziele erreicht. Das haben uns die Taliban auf perfide Art und Weise gerade wieder vor Augen geführt. Wenn es aber darum geht diese Ressourcen für andere Ziele – wie die Etablierung und Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit oder für Maßnahmen gegen den Klimawandel und gegen Umweltverschmutzung aller Art – zu bündeln und einzusetzen, versagen wir nachhaltig.

Was der Welt – wie nie zuvor – fehlt ist ein gemeinsames Weltbild. Die in den vergangenen Jahrhunderten führenden Nationen, die zeitweise ein solches Weltbild repräsentierten, gibt es nicht mehr oder sie haben an Strahlkraft und Einfluss verloren. Das mögen jetzt manche für gut halten, denn einseitig diktierte Weltbilder haben nur zum Teil eine gemeinsame Weltsicht geschaffen und auch nachhaltig zahlreiche Probleme hinterlassen, die ich an dieser Stelle nicht ausführlich diskutieren möchte. Es zeigt sich aber, dass auch der Welt ein gemeinsames Leitbild fehlt. Denn die Ziele und Wünsche gehen sogar im Angesicht diverser Bedrohungen so weit auseinander, dass ein gemeinsamer Strang, an dem wir alle ziehen wollen, noch lange nicht in Sicht ist. Sogar die immer wieder als universal und unteilbar angesehenen Menschenrechte stellen faktisch keinen solchen gemeinsamen Nenner dar, denn sie werden immer wieder – auch von großen und einflussreichen Nationen – in Frage gestellt. Daher glaube ich fest, dass es wichtig ist, neben der Arbeit an Lösungen für die konkreten Probleme, auch die Frage unseres gemeinsamen Weltbildes ins Zentrum zu rücken. Denn nur wenn es endlich ein solches gemeinsames, alle politischen Ansichten, Religionen und ethnischen Gruppen berücksichtigendes Leitbild gibt, können sich die Lösungen für all unsere Probleme daran wirksam orientieren und es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir echte gemeinsame Lösungen finden.

Doch wie bringen wir all diese oft entgegengesetzten Vorstellungen, die unsere Welt dominieren, auf einen kleinsten, gemeinsamen Nenner? Vielleicht kann ein zweiter „Wiener Kongress“, diesmal mit dem Ziel, ein solches – tatsächlich gemeinsames – Leitbild für die Welt neu zu definieren, dazu beitragen in der Folge auch all die anderen Probleme einfacher zu lösen. Denn oft sind die Vorstellungen nicht so unterschiedlich, wenn man an ihren Kern gelangt. Dieser gemeinsame Kern wird aber vielfach von kulturellen, religiösen und politischen Mänteln überdeckt. Es muss uns aus „westlicher“ Sicht einfach klar sein, dass die bisher als universell geltenden Werte vor allem europäische Werte sind und daher auch die Geschichten und die Geschichte vieler nicht ausreichend berücksichtigen und wir daher aus dieser Sicht viele Mechanismen und Entwicklungen auch nicht wirklich verstehen oder einordnen können. Aber sogar hier haben wir schon längst keine einheitliche Sicht der Dinge mehr. Zusätzlich gibt es in weiten Teilen der Welt kein echtes Verständnis für unsere Sicht der Dinge. Und solange dieser Grundkonflikt nicht gelöst wird, werden wir uns sehr schwer tun eine bessere Welt zu bauen oder auch „nur“ unsere aktuellen Probleme lösen, um damit den Weltenbrand zu löschen.

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